Wir feiern an Heiligabend, dass Gott in Jesus von Nazareth ein Mensch wurde wie wir. Wir feiern, dass Gott uns in Jesus direkt begegnet und so unsere Ebenbildlichkeit würdigt und unterstreicht. Der Predigttext für den Zweiten Weihnachtstag setzt genau an dieser Stelle an und konkretisiert, was das für uns bedeutet.
„Er ist reich und wurde für euch arm“, so Paulus. Und er meint damit, dass Gott in Jesus nicht länger fern im Himmel bleibt, sondern dieses irdische Leben mit uns teilt. Jetzt können wir natürlich zurückfragen, was das ändert. Was hilft es, wenn einer sein privilegiertes Leben aufgibt und sowohl seinen Wohlstand als auch seine Fähigkeiten in den Dienst der Armen stellt? Paulus meint es anders: Jesus kommt nicht als ein Mensch, den Gott zu besonderen Taten und Worten berufen hat wie die Propheten, sondern Jesus hat seinen Ursprung in der himmlischen Wirklichkeit Gottes. Er ist und bleibt Gott und begleitet uns zugleich als wahrer, wirklicher Mensch in unserem irdischen Alltag.
Weil Gott in Jesus unser Leben teilt, werden wir in die Lage versetzt, unsere Möglichkeiten zu nutzen, anderen zu helfen. Wir werden von Gott reich beschenkt und müssen nicht länger sparen. Denn so wie Jesus um unseretwillen arm wurde und zugleich reich blieb, so werden auch wir reich beschenkt werden, wenn wir großzügig geben. Gott wird Mensch! Gerade das feiern wir an Weihnachten und bekennen es jedes Mal von Neuem, wenn wir das Apostolische Glaubensbekenntnis sprechen: „Empfangen durch den Heiligen Geist, geboren von der Jungfrau Maria.“
Das zu glauben, fällt vielen unserer Mitmenschen zunehmend schwer. Wir werden geboren und gehen vom ersten Tag unseres Lebens auf den letzten, auf den Tod zu. Das ist das, was viele sehen. Die Bibelautoren sehen ebenfalls, wie wir Menschen leben, und wissen genau, dass unser Leben begrenzt ist. Aber sie erzählen darüber hinaus, wie Gott in unserem Leben handelt. Diese Erzählung beginnt mit der Geschichte des Volkes Israel und läuft auf den Messias Jesus zu. Und spätestens mit Jesus wird klar, dass Gott nicht im Jenseits, sondern ganz im Hier und Jetzt ist.
Gott leidet an seiner eigenen Welt, an Kriegen, Hass, Gewalt, am Unrecht, das wir Menschen einander antun. Er vertröstet uns nicht auf den Himmel und auf die Zeit, in der es das alles nicht mehr gibt, sondern er kommt in Jesus zu uns und teilt dieses Leben in einer von Ungerechtigkeit geprägten Welt. Aber er teilt es nicht nur, sondern ist gekommen, um uns in die Lage zu versetzen, diese Welt zum Besseren hin zu verändern.
Deshalb sagt Paulus: „Er ist reich und wurde für euch arm.“ Er gibt seine Macht auf und stellt sich an unsere Seite. Aber das ist erst der Anfang. Weiter geht es, indem wir Jesus nachfolgen. Indem wir unsere Macht, unser Vermögen dazu einsetzen, dass auch die, die arm sind, die von Unrecht, Gewalt, Hass und Kriegen betroffen sind, leben können. Und zwar in Freiheit und im Frieden. Dass das wahr wird, das feiern wir an Weihnachten.