„Sein wie die Träumenden?!“ – Inmitten von Nachrichten über Terror und Krieg, Naturkatastrophen und Wirtschaftskrisen ist dies eine wirklich verlockende Aussicht. In einem Traum kann schließlich alles wahr werden, was ich mir wünsche und ersehne: der Lotto-gewinn, der Traum vom Fliegen und sogar Frieden für die Welt.
Ich schließe die Augen und all das da draußen kann mir nichts mehr anhaben. Zu schade, dass solche Träume so leicht schwinden, sobald auch nur ein Auge wieder offen ist. Oftmals bleibt von ihnen nicht mehr als ein Gefühl und die nüchterne, wehmütige Einsicht: „Es war zu schön, um wahr zu sein.“ Träume sind dennoch keine Flucht aus der Realität. Vielmehr spiegeln sie erwiesener-maßen die vergangenen Erfahrungen unseres Lebens wider und vermischen diese mit unseren Wünschen und Ereignissen für die Zukunft. Dadurch entsteht -etwas ganz Neues.
Das Zwischenspiel aus Zukunft und Vergangenheit, Ausblick und Rückblick ist in einzigartiger Weise auch im ersten Vers von Psalm 126 enthalten: „Wenn der Herr die Gefangenen Zions erlösen wird, so werden wir sein wie die Träumenden.“ Die hebräische Sprache bringt hier etwas Zauberhaftes zustande: Das Wort „haijenu“ kann je nach Kontext Zukunft (bei Luther) oder Vergangenheit ausdrücken – etwa in der Zürcher Bibel, wo es heißt: „Als der Herr wandte Zions Geschick, waren wir wie Träumende.“ In der Formulierung „sein wie die Träumenden“ treffen sich die beiden Zeiten. Für mich wird das Träumen so zur Brücke. Eine Brücke zwischen den guten Erfahrungen mit Gott, der aus -Gefangenschaft befreit und sein Volk und uns nicht -verlässt, hin zu einer -Zukunft, in der das Leid der Welt überwunden ist. „Die mit Tränen säen, werden mit Freuden ernten“, darauf ist alles ausgerichtet.
Das Ziel ist eine Zukunft, in der Lachen und Jubel an die Stelle der Tränen und des Leids von heute treten. Diese Hoffnung trägt den Beter in den Sorgen und -Mühen seines Alltags. Es ist Gott, der dafür eintritt. Gott, der in der Vergangenheit immer wieder bewiesen hat, dass er der Gott des Lebens ist. In Bezug auf den Ewigkeitssonntag formuliert: Er, der den Tod über-wunden hat, der wird auch dafür sorgen, dass sich der Traum von seinem Frieden erfüllen wird. Dann, ja dann werden wir auch im Wachen sein können wie die Träumenden.
So wird der Traum zur Hoffnung und zur Brücke in die Zukunft. Eine Brücke hin in eine Wirklichkeit, über die ich nicht verfüge – Gottes Ewigkeit und sein Reich. Kein surrealer Traum, sondern ein Einblick in das, was sein könnte und hoffentlich sein wird. Echte Hoffnung, an die ich mich im Schlimmsten klammern kann und die mich immer weiterzieht, damit ich nicht den Mut verliere, von einer besseren Welt zu träumen – -allem Leid zum Trotz. „Ein Traum, den man alleine träumt, bleibt nur ein Traum. Ein Traum, den viele träumen, der wird Realität“, sagte einst die Friedensaktivistin Yoko Ono. So sehe ich es auch mit der Hoffnung auf Gottes Ewigkeit, in der kein Leid, kein Geschrei und kein Schmerz mehr sein wird. Ich hoffe, aber ich hoffe nicht allein. Gemeinsam sind wir unterwegs als Hoffende und Träumende. Die Brücke ist schon geschlagen. Dort, wo Menschen gemeinsam an einem Traum von Frieden für diese Welt festhalten, da ist schon jetzt ein Stück von Gottes Ewigkeit auf Erden.