Im Himmel sind Lieder, im Himmel ist Licht! Bei der Berufung des Propheten Jesaja (Jesaja 6) schaut der Prophet den himmlischen Gottesdienst: Gott auf dem Thron und um ihn Engel, die ihn anbeten und – nicht rufen, vielmehr singen: „Heilig, heilig ist Gott!“ Der Seher Johannes wird an einem Sonntag vom Geist ergriffen (Offenbarung 1), wendet sich um und schaut den ewigen Gottesdienst im Himmel. Nun sind es nicht mehr allein die feurigen Seraphen aus Jesaja, nun sind um den Thron Gottes und des Lammes versammelt unzählig viele Engel, dazu vier Wesen und 24 Älteste sowie eine unüberschaubar große Schar Menschen aus allen Völkern. Sie tragen die weißen Kleider der Getauften. Sie feiern Gottesdienst mit Weihrauch und Posaunen und Liedern.
Eines der Lieder aus dem himmlischen Gottesdienst im Buch der Offenbarung ist an diesem Sonntag Predigttext: das Lied des Mose und das Lied des Lammes. Mose steht für Gottes ersten Bund: für die Befreiung Israels aus der Knechtschaft und für den Auszug ins Gelobte Land. Das Christus-Lamm steht für Gottes zweiten Bund mit Menschen aller Völker: die Erlösung aus der Macht des Todes und die offene Tür zu Gottes Reich. Befreiung, Überwindung des Todes – das sind die wunderbaren Werke Gottes. Was bei uns auf der Erde noch verborgen ist, hier im himmlischen Gottesdienst ist es schon offenbar: „Du, Gott allein bist heilig. Du schaffst Gerechtigkeit. Alle Völker werden es sehen und anbeten vor dir.“
Ich höre die Worte und stelle mir vor: Um unsern Erdball ist nicht schwarzes All. Vielmehr: Unser Leben ist eingebettet und umgeben von himmlischem Gottesdienst. Im Himmel sind Lieder, im Himmel ist Licht! Im Himmel ist das Ende schon vorweggenommen. Und Ende bei Gott heißt, dass die Kämpfe vorbei sind. Dass alles richtiggestellt wird. Dass die Tränen abgewischt werden und Gott alles neu macht.
Von Anfang an erlebten Christen im Gottesdienst die Gegenwart Christi. Im Abendmahl und im Wort. Und in der Anbetung und in den Liedern. Die alten Kirchendecken malen einen offenen Himmel. Sie wollten zeigen: Wir unten feiern Gottesdienst zusammen mit denen oben. Wenn wir feiern, geht der Himmel auf und wir singen und beten mit im ewigen Gottesdienst im Himmel. Singend – gemeinsam, selbstvergessen, auswendig, mit Seele und Leib – erfahren wir Gott nahe wie sonst kaum.
Der Schritt über die Kirchenschwelle will keine Fortsetzung des Alltags sein mit anderen Mitteln. Gottesdienst will – wie beim Seher Johannes – eine Umwendung, ein Mich-ergreifen-Lassen von Wort und Geist und ein Einstimmen mit Leib und Seele in die alten und neuen Gesänge der Anbetung und des Lobes. Sollten wir zu bescheiden sein mit dem, was wir im Gottesdienst suchen? Ich wünsche mir Gottesdienste – manchmal geschieht es, die unter diesem offenen Himmel stattfinden. Gottesdienste, die die Tiefe unsrer Gemeinschaft mit den Feiernden aller Generationen vor uns atmen; Gottesdienste, die uns mit allen Feiernden jetzt um den ganzen Erdball verbinden – über alle Grenzen hinweg. Johannes, der Seher, sagt: Das wird kommen. Es ist schon da.