Impuls

Vergebung erfahren

Impuls für den 18. Sonntag nach Trinitatis: 1. Petrus 4,7-11.

1. Petrus 4,7-11 (in Auszügen aus der BasisBibel)

Das Ende aller Dinge ist nahe. Haltet vor allem mit Ausdauer an der Liebe zueinander fest! Denn die Liebe deckt viele Sünden zu.

Pfarrerin Annegret Weigl
privat
Annegret Weigl ist Pfarrerin in Erdmann­hausen im Dekanat Marbach.

Würden Sie sich auch am liebsten die Bettdecke über den Kopf ziehen und alles um sich herum vergessen? So eine Decke ist etwas Tolles: Geräusche dringen nur noch gedämpft ans Ohr, durch die Fasern dringt nur wenig Licht und lässt vieles anders erscheinen. Und nicht zu vergessen: die wärmende Hülle, die Geborgenheit erzeugt. Ja, nicht selten fühle ich mich unter der Bettdecke wie in einem Kokon. Als Kind habe ich es geliebt, mir die Decke über den Kopf zu ziehen. Stundenlang konnte ich mit der Taschenlampe darunter lesen und in eine andere Welt eintauchen oder mich darunter verstecken und das, womit ich andere verletzt hatte, vergessen.

„Die Sünde zudecken“, wie es in Vers 8 des heutigen Bibeltextes heißt, ist nicht nur ein kindlicher Wunsch, sondern viel zu oft auch gängige Praxis. Mit Tricks, Verleumdungen oder gar Fake News versuchen viele, von eigenen Fehlern abzulenken, sie unter den Teppich zu kehren. Doch das ist mit „Sünde zudecken“ nicht gemeint.

„Haltet vor allem mit Ausdauer an der Liebe zueinander fest! Denn die Liebe deckt viele Sünden zu.“ Das -Subjekt in Vers 8 ist ein anderes: Nicht ich ziehe mir die Decke über den Kopf, um zu vergessen, nicht ich verstecke meine Fehler unter dem Teppich, sondern mein Gegenüber, seine vergebende Liebe, deckt meine Fehler zu. Die Liebe meines Gegenübers tut etwas für mich, was ich nicht und was keiner für sich selbst tun kann: Sie deckt zu, womit Menschen sich unmöglich gemacht haben. Die vergebende Liebe deckt die Sünden des Nächsten zu. Das heißt nicht, dass alle Fehler und Gemeinheiten unter der Decke bleiben. Zudecken kann man ja nur, was vorher aufgedeckt war. Veränderung zum Guten hin ist nur möglich, wenn Fehler und Versagen benannt werden. Über das, was den anderen verletzt hat, muss offen geredet werden. Dabei geht es nicht darum, den schuldig Gewordenen bloßzustellen, sondern wie wir mit den Fehlern des anderen umgehen. Mit Ausdauer an der Liebe zueinander festzuhalten, bedeutet, den schuldig Gewordenen in die Decke der Vergebung zu hüllen, damit er von der vergebenden Liebe gewärmt wird, die jeder Mensch braucht. Wo ein Mensch das erfährt, kann er neu beginnen. Nelson Mandela hat es einmal so ausgedrückt: „Als ich aus der Zelle durch die Tür in Richtung Freiheit ging, wusste ich, dass ich meine Verbitterung und meinen Hass zurücklassen musste oder ich würde mein Leben lang gefangen bleiben.“

Die Mahnung, an der Liebe festzuhalten, ist ein Zitat aus dem Alten Testament. In Sprüche 10,12 heißt es: „Hass führt zum Streit, Liebe aber deckt alle Fehler zu.“ Das „Decken“ gehört im Alten Testament zur Anwesenheit Gottes dazu. Das Zelt der Begegnung als Wohnung Gottes (2. Mose 26,13) wird mit Decken verhüllt. Wo Gottes Liebe uns bedeckt, da werden Sünden vergeben oder, wie es in Psalm 91,4 heißt: „Gott wird dich mit seinen Fittichen decken und Zuflucht wirst du haben unter seinen Flügeln.“

Zur Zeit des 1. Petrusbriefs (etwa 100 n. Chr.) gab es das Zelt der Begegnung schon lange nicht mehr, doch vielleicht nährte die damalige Erwartung, dass Jesus wiederkommt, die Sehnsucht, dass Gott damals wie dereinst uns in seine vergebende Liebe hüllt. Und bis dahin, so ermahnt uns der Predigttext, sollen wir einander begegnen, als säßen wir gemeinsam im Zelt Gottes und bedeckten uns mit Vergebung und Nächstenliebe.

Gebet

Die Welt ist oft so kalt, Gott. Zeige du uns, wie wir aus den Fasern ­der Sanftmut, des Respekts und der Achtung voreinander eine Decke der Liebe weben können, die uns wärmt. Amen.

Den geistlichen Impuls für jeden Tag finden Sie im AndachtsCast.

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