Impuls

Verzweiflung und Hoffnung

Impuls für den Sonntag Rogate: 2. Mose 32,7-14.

2. Mose 32,7-14 (in Auszügen) 

Der Herr sprach aber zu Mose: Geh, steig hinab; denn dein Volk, das du aus Ägyptenland geführt hast, hat schändlich gehandelt. Und nun lass mich, dass mein Zorn über sie entbrenne und sie verzehre. Mose wollte den Herrn, seinen Gott, besänftigen und sprach: Kehre dich ab von deinem glühenden Zorn und lass dich des Unheils gereuen, das du über dein Volk bringen willst. Da gereute den Herrn das Unheil, das er seinem Volk angedroht hatte.

Foto: privat
Jens Junginger ist Pfarrer an der Sindelfinger Martinskirche.

Gott ist enttäuscht und zornig. Er spricht seine vernichtenden Absichten offen aus. Doch Mose erinnert Gott an sein befreiendes Handeln. Ein Streitgespräch kommt in Gang. Am Ende lenkt Gott ein. Das „sie verzehren“, das ging für Mose zu weit. Gott bekundet Reue. Das ist ungewöhnlich, aber nachvollziehbar.

Eine engagierte Mitarbeiterin erzählt, sie hadere mit Gott. Und auch sie selbst habe immer öfter Zweifel am guten Ausgang der Dinge. Die menschliche Halsstarrigkeit mache sie regelrecht zornig. Die unsäglichen Egoismen und mensch-lichen Sturheiten. Und sie erlebe immer mehr Menschen, die klar sagen: Es liegt doch allein an uns Menschen, ob sich noch etwas ändert – das regelt sonst niemand für uns. Das wiederum erinnere sie daran, dass auch das Volk Gottes verlockenden Träumen und Versprechungen nachgelaufen ist. „Wir machen uns heute selbst fertig und die Schöpfung gleich mit, mit dem, was wir da treiben. Gott ist uns lästig geworden. Gott und unsre Welt, das treibt mich wirklich um.“

Im Text wird erzählt: Gott ärgert sich über sein Volk und spricht deshalb Mose an. Mose reagiert auf die ich-bezogene Haltung Gottes mit der Frage: Wie ist das mit deinem Treueversprechen? Wo ist deine Solidarität? Wieso sollen andere Mächte Einfluss auf das verunsicherte Volk gewinnen? „Da gereute den Herrn das Unheil.“ Gott ändert seine Haltung, lässt sich beeinflussen? Können wir mit Gott verhandeln? Was tatsächlich geschieht: Mose weist Gott auf seine eigene Widersprüchlichkeit hin. Du erwartest Treue, wirst aber selbst untreu.

Gott ist enttäuscht und (ver)zweifelt. Menschen sind von Gott enttäuscht und zweifeln. Gott sehnt sich nach menschlichem Umdenken. Menschen sehnen sich nach Gottes relevantem Wirken. Aussichtslosigkeit und Hoffnung ringen miteinander. Mose ist Anwalt beider Seiten. Ihm ist das Volk und ihm ist Gott wichtig. Wir sind Zeugen und zugleich selbst Beteiligte an einem heftigen Ringen. Ein Ringen, das sich im Diskurs oder im „Reden des Herzens mit Gott“ ereignet. Eine derartige Auseinandersetzung ist Ausdruck eines lebendigen und deshalb auch zweifelnden Gottesglaubens, der mit dem Unheil und der menschlichen Verantwortung dafür nicht klarkommt.

Und doch ist da etwas von Gott, das Menschen dazu antreibt das Schlimmste abzuwenden, eben nicht alles verloren und aufzugeben. Sei es im Engagement für die Seenotrettung, in der Diakonie, im Friedensengagement oder in der Seelsorge. Immer motiviert von der Mose-Sehnsucht nach Heil, Frieden und Gerechtigkeit. Bei aller nachvollziehbaren Unsicherheit und berechtigten Skepsis heißt das – und so verstehe ich Moses Engagement: Gott will nie ein für alle Mal fertig sein mit seinem Volk und mit uns Menschen. Solange in uns die Fragen nicht zur Ruhe kommen nach den Folgen unseres menschlichen Handelns, nach unserer Verantwortung und nach den Ursachen von Unheil – und wie es abgewendet werden kann –, so lange treibt uns Gott um. So lange glauben wir. So lange glauben wir an einen aktiven, engagierten, streitbaren, dialogbereiten Gott – wie Mose.

Gebet

Manchmal, Gott, verliere ich die Kraft, an das Gute zu glauben. Ich spreche es aus, bei Leuten und bei dir. Du weichst nicht aus. Du engagierst dich. Alles ist aufgeschrieben bei dir? Sammle meine Tränen in deinem Krug. Ich vertrau auf dich. Amen.

Den geistlichen Impuls für jeden Tag finden Sie im AndachtsCast.

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