Sie schwitzt über der Vorbereitung des Bibelkreises: „Schwierige Texte aus dem Johannesevangelium“. Was hatte sie sich nur dabei gedacht? Morgen soll es um Johannes 5,39-44 gehen. Ein Text voller Vorwürfe: „Ihr sucht in der Heiligen Schrift nach dem ewigen Leben, doch ihr habt den falschen Zugang. Eure Suche wird scheitern! Ihr vertraut auf Menschen, die in der Welt einen großen Namen haben, denen es um ihre eigene Ehre geht, doch ihr seid damit auf dem Holzweg!“
Jesus hält dagegen: „Wenn ihr doch nur erkennen würdet, dass ihr den Weg zum Leben nur dann in der Schrift findet, wenn ihr sie mit den Augen der Liebe lest. Ich habe es euch vorgemacht, glaubt mir, glaubt an mich, kommt doch zu mir und macht es mir nach!“ „Alles sehr richtig,“ murmelt sie, „aber wie fülle ich das morgen mit Leben?“ Sie sitzt noch eine ganze Weile grübelnd am Schreibtisch, bis sie sich zufrieden zurücklehnt.
Sie treffen sich wie immer im Gemeindezentrum. „Ich freue mich, dass ihr da seid,“ begrüßt sie die Gruppe, „heute erzählen wir uns gegenseitig unsere liebste Geschichte aus der Bibel. Wichtig ist, dass sie euch wirklich am Herzen liegt, weil sie für euren Glauben und euer Leben bedeutend ist, weil sie euch Kraft gibt oder Trost schenkt, weil sie euch inspiriert, weil ihr euch Gott oder Jesus nahe fühlt, wenn ihr sie hört oder erzählt.“
Es kostet etwas Überwindung, doch dann beginnen sie zu erzählen. Erst zögerlich, dann immer begeisterter – Augen blitzen, Gesichter erhellen sich. „Für mich ist es die Geschichte der Sturmstillung. Überall stürmt es. Auf der Welt geht es drunter und drüber. Ich bekomme richtig Angst. Wird der Sturm denn nie enden? Doch dann halte ich nach Jesus Ausschau, nehme Kontakt zu ihm auf. Dann beruhigt sich alles. Ich bekomme meine Angst in den Griff und fasse neue Zuversicht.“
„Ich liebe die Familiengeschichten im Alten Testament. Die sind so nah am Leben dran. Die Menschen streiten, reden teilweise jahrelang nicht miteinander, aber dann gibt es auch wieder Versöhnung und Zusammenhalt, Liebe und Fürsorge. Und über allem steht die Verheißung Gottes, dass er diese Wege mit seinen Menschen geht.“
„Mit ist die Ostergeschichte wichtig. Als Kind fand ich es furchtbar, dass Jesus sterben muss. Ich konnte es nicht verstehen. Mittlerweile habe ich es, glaube ich, begriffen. Gott will, dass wir hinschauen, wo Menschen leiden, dass wir darum wissen, was Menschen einander Furchtbares antun. Und er will uns zeigen, dass das Leben und die Liebe stärker sind als all das. Diese Kraft und diese Zuversicht schenkt mir Jesus immer wieder.“
Nachdem alle erzählt haben, ist es einen Moment still. Die Atmosphäre im Raum ist besonders. „Bestimmt wundert ihr euch, dass wir heute gar nicht ins Johannesevangelium geschaut haben,“ ergreift sie das Wort, „ich gebe euch den Text mit nach Hause. Wenn ihr ihn lest, dann denkt an diese Stunde zurück und seid gewiss: Ihr habt erkannt, wer Jesus für euch ist, und ihr tragt Gottes Liebe in euch. Kommt gut nach Hause und bis zum nächsten Mal.“