„Weiß jemand, wo es noch trockene Geschirrtücher gibt?“ „Links unten“, sage ich. Schubladen auf, Schubladen zu. Flinke Finger gehen auf die Suche. Da, endlich -gefunden. In der Küche des Gemeindehauses „bei den Martas“ geht es geschäftig zu. Und doch bleibt immer noch Zeit zu reden über Gott und die Welt, Freud und Leid in der Gemeinde, Familie und manchmal über sich selbst. Das Letztere meist, wenn schon alle Gäste gegangen sind und man gemeinsam auf den letzten Spülgang der Geschirrspül-maschine wartet.
Jesu Wertung, dass Maria das „gute Teil“ gewählt habe, hat mich schon immer zum Widerspruch herausgefordert. Was wären Kirche und kirchliches Leben ohne die vielen rührigen, zumeist ehrenamtlichen Hände? Mein Studium habe ich an der Augustana-Hochschule im mittelfränkischen Neuendettelsau begonnen, zugleich ein Zentrum der bayerischen Diakonie. Die Häubchen der Diakonissen haben nicht nur das Straßenbild geprägt, sondern auch den Blick geöffnet für Menschen, die das Wort zur Tat werden lassen in Kindergärten, Schulen, Krankenhäusern oder Heimen, in der Hostienbäckerei oder der Paramentenwerkstatt. Und das zumeist, wie es der Volksmund weiß, „um Gotteslohn“. Oder, um Wilhelm Löhe, Begründer der Diakonissenanstalt Anfang des 19. Jahrhunderts, zu zitieren: „Mein Lohn ist, dass ich dienen darf.“
Die Zeiten haben sich Gott sei Dank geändert. Menschen, die in der Diakonie beschäftigt sind, erfahren eine hohe Wertschätzung und werden selbstverständlich gemäß Tarifvertrag entlohnt. Trotzdem ist der Predigttext nach wie vor provokant, denn meiner Meinung nach ist es falsch, das Hören gegen das Tun auszuspielen, das eine als „gut“ zu beurteilen und damit implizit das andere als „weniger gut“ abzuqualifizieren. Im persönlichen wie im kirchlichen Leben braucht es beides: Maria und Marta, Wort und Tat, Hören und Tun, Kontemplation und Aktivität. Je nach Situation, je nach Anforderung mal das eine mehr als das andere. In Nürnberg gibt es deshalb folgerichtig ein Krankenhaus, das „Martha-Maria“ heißt – in dieser Reihenfolge!
Dass es beides braucht, diese Erkenntnis hat sich im Laufe der Zeit auch in der Theologie durchgesetzt. Die „diakonia“ (griechisch für „Dienst“) gilt als ein wesentliches Merkmal von Kirche neben Gottesdienst, Verkündigung und Gemeindebildung. Randnotiz aus der Geschichte der Kirchenmusik: Das Lied „Herr, dein Wort, die edle Gabe“ von Nikolaus Graf von Zinzendorf 1725 gedichtet, bekam rund 50 Jahre später eine Strophe, in der der Dienst Martas dem der Maria gleichgestellt wurde.
Nochmals zurück in die Küche: Wie gerne hätte ich Jesus ein Geschirrhandtuch in die Hand gedrückt und ihn abtrocknen lassen. Wie erfüllend gemeinsame Arbeit sein kann, bei der man sich gegenseitig zuhört, aushilft, tröstet, ermutigt. Auch eine Vision vom Reich Gottes? Auf jeden Fall „Hausarbeit“ im besten Sinn!