Habe ich richtig gelesen, fragen Sie sich vielleicht bei dieser Überschrift. Über Kirche liest und hört man doch immer nur, dass sie Mitglieder verliert. Um welche Art von Wachstum soll’s da gehen?
An Pfingsten feiern wir den Geburtstag der Kirche. Der Text aus dem Epheserbrief spricht Gläubige der noch jungen Kirche an. Es geht in ihr aber schon nicht mehr so zu, wie es von den Anfängen nach dem ersten Pfingstfest in Jerusalem in Apostelgeschichte 2 erzählt wird: Täglich neue Mitglieder, jeder teilt, was er hat, alle sind einmütig zusammen. Die in Epheser 4 angeredeten Gläubigen hingegen müssen gemahnt werden: „Ertragt euch gegenseitig in Liebe. Bemüht euch darum, die Einheit zu bewahren.“ Das klingt schon realistischer als das, was von der ersten Gemeinde in Jerusalem erzählt wird. Freilich verschweigt die Apostelgeschichte nicht, dass es auch dort bald Streitigkeiten gab. Ein einmütiges Miteinander ist wohl doch eher etwas für Sternstunden.
Der Verfasser sieht die Gemeinde als einen „Spielball von Wind und Wellen im Meer zahlreicher Lehren“. Die Schriften des Neuen Testaments liegen den Christen damals noch nicht vor, um sich im Glauben zu bilden. Und es fehlt an ordnender Leitung, die etwas davon versteht, wie dieser Glaube im Miteinander und als Gemeinde in der Welt in die Tat umgesetzt werden kann. Die dafür nötigen Begabungen sieht der Verfasser aber durchaus bei den Gläubigen. So weiß er um Leute, die geeignet sind, andere in Glaubensfragen zu unterweisen, und um welche, die die Herausforderungen durch Politik und Gesellschaft an Christen zu deuten verstehen. Er weiß um Mitchristen, die die besondere Gabe haben, die Botschaft von Jesus spannend für die damalige Gegenwart auszurichten, und um solche, die Menschen in ihren Seelennöten verstehen und begleiten können. Er, und sicher nicht er allein, ist zur Auffassung gelangt, dass das erste Pfingstfest als Geburtstag von Kirche nun Alltagsbewältigung in einer Gemeinde verlangt. Damit sie aber gelingt, bedarf es der Aufgabenteilung und schließlich der Ordnung durch Ämter, was heißt, dass Kirche unterwegs ist zur Institution.
Möglicherweise seufzt jetzt manche Leserin und Leser auf: Gerade die Institution Kirche macht sie doch so unbeweglich, frisst für den Unterhalt von Personal und Gebäuden unglaublich viel Geld. Vermutlich würden viele Christen gerne einstimmen in den Traum von Kirche nach Dieter Storks Lied: „Ich träume eine Kirche, die teilt und sich verschenkt, die wenig an sich selber und viel an andere denkt, die Mauern überspringt, die lacht und weint und segnet und mit den Menschen singt.“ Damit solch ein Traum Wirklichkeit werden kann, braucht es Räume und Personal, wenn auch weniger bei geschrumpften Mitgliederzahlen. Und es braucht vor allem Menschen, die nicht „unmündigen Kindern“ gleichen, sondern das Ganze im Blick haben und Verantwortung übernehmen. So kann Kirche wachsen und zum lebendigen Leib Christi in der Welt werden.