Impuls

Was das Herz umtreibt

Impuls zu Heiligabend: Lukas 2,1-20.

Lukas 2,1-20 (in Auszügen) 

Da die Hirten es aber gesehen hatten, breiteten sie das Wort aus, welches zu ihnen von diesem Kinde gesagt war. Und alle, vor die es kam, wunderten sich über die Rede, die ihnen die Hirten gesagt hatten. Maria aber behielt alle diese Worte und bewegte sie in ihrem Herzen.

privat
Joachim Fritz ist Pfarrer in ­Siglingen, Dekanat Weinsberg-­Neuenstadt.

Ich bin Krippenspielveteran. Als solcher habe ich über viele Jahre an Heiligabend das gesamte Figuren-Ensemble – Maria wahrscheinlich ausgenommen – durchgespielt: Hirten, Josef, Herodes, Erzähler. Begonnen hat es vermutlich mal mit einem Schaf oder einem Engel. Das Krippenspiel war der Höhepunkt des Fests: Irgendwann nachmittags, es begann zu dämmern, kamen wir im Gemeindehaus zusammen und wurden in die Kostüme gepackt, die nicht verhehlen konnten, dass sie das ganze Jahr auf einem Dachboden verbracht hatten. Die Stimmung war angespannt. Aber dann verflog die Aufregung in Windeseile, wenn das Krippenspiel erst einmal begonnen hatte.

Jedes Jahr kam dann wieder diese Geschichte: „Es begab sich aber zu der Zeit, da ein Gebot vom Kaiser Augustus ausging …“ Diese Worte waren für mich in weiten Teilen unverständlich, auch wenn sie mir mit den Jahren sehr vertraut wurden. Aber vielleicht lässt sich eine unglaubliche Geschichte eben auch nicht anders ausdrücken als in zunächst unverständlichen Worten. Jedes Jahr kam auch dieser eine Satz aus der Weihnachtsgeschichte, der auf mich stets mysteriös wirkte: „Maria aber behielt alle diese Worte und bewegte sie in ihrem Herzen.“

Der Evangelist Lukas hätte doch auch – etwas kind-gerechter – sagen können, dass sich Maria für den Rest ihres Lebens an diese Situation erinnerte. Das wäre naheliegend: Denn dass gerade dieses hastig, unter hygienisch fragwürdigen Umständen geborene Kind der Heiland sei, das klingt selbst für heutige Ohren extrem erinnerungswürdig. Aber der Evangelist Lukas schrieb eben nicht: Maria erinnert sich. Nein, sie bewegt Worte im Herzen. Das klingt vertraut, ist aber letztendlich nicht wirklich begreiflich.

Wenn ich daran denke, was mein Herz bewegt, dann sind das eigentlich weniger die positiven Worte und Situationen im Leben. Im Gegenteil: Die Erinnerung an wenige verletzende Worte und Gesten reicht aus, um das Herz in ungute Wallungen zu versetzen. Manche Person hat sich da eingenistet, die dort keine Heimat finden soll. Dagegen haben es die positiven Erinnerungen, sozusagen „die Hirten im Leben“, schwerer, sich den Weg zum Bewegungsapparat meines Herzens zu bahnen.

Aber Maria bekommt das Geschenk, dass Schönes und Heilsames ihr Herz bewegt. Ausgerechnet in dieser Situation, ausgerechnet in einem Stall, ausgerechnet während eines Antrittsbesuchs von Unbekannten, ausgerechnet hier erfährt sie nachhaltigen Segen durch etwas, das sich in ihr Herz brennen darf. Die weitere Geschichte zeigt ja sehr deutlich, dass sie das wirklich brauchen kann. Denn sie macht einiges durch: Die Familie muss flüchten; später erweist sich der Sohn auch nicht gerade als einfach. Er verlässt seine Familie, um im Land umherzuziehen und zu predigen; und es endet damit, dass Maria mit ansehen muss, wie ihr Sohn stirbt.

Maria helfen die Worte, die ihr Herz im Guten bewegen, wohl sehr. Worte, die man im Herzen bewegen kann, bewirken Offenheit für Neues. Und diese Worte stelle ich mir so vor, dass sie sich Maria im Laufe ihres Lebens immer weiter entfaltet haben. In ihnen steckte wohl ein stärkender Schatz. Wie in diesem ganzen sperrigen Text, der jedes Jahr beim Krippenspiel kommt.

Gebet

Jesus Christus, du stehst vor der Tür: Als Kind. Als Geheimnis. Rühre uns an mit deiner Geschichte. Bringe deinen Schatz und bewege die Herzen. Bei mir und in unserer Welt. Wir sind bereit. Amen.

Den geistlichen Impuls für jeden Tag finden Sie im AndachtsCast.

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