Impuls

Wenn wir schwach sind ...

Impuls für den 5. Sonntag nach Trinitatis: 2. Korinther 12,1-10.

2. Korinther 12,1-10 (in Auszügen) 

Und Damit ich mich nicht überhebe, ist mir gegeben ein Pfahl ins
Fleisch, der mich mit Fäusten schlagen soll. Seinetwegen habe ich dreimal zum Herrn gefleht, dass
er von mir weiche. Und er hat zu mir gesagt: Lass dir an meiner Gnade genügen, denn meine Kraft
vollendet sich in der Schwachheit. Darum will ich mich am allerliebsten rühmen meiner Schwachheit,
auf dass die Kraft Christi bei mir wohne. Darum bin ich guten Mutes in Schwachheit, in
Misshandlungen, in Nöten, in Verfolgungen und Ängsten um Christi willen; denn wenn ich schwach
bin, so bin ich stark.

privat
Iris Carina Kettinger ist Pfarrerin in der Auferstehungskirchengemeinde in Heidenheim.

Stellen wir uns vor: Ein Bewerber betritt den Raum. Seine Erscheinung ist rundum positiv. Er strahlt Selbstsicherheit aus ohne jede Arroganz, wirkt freundlich und souverän und gibt in seiner dezenten Kleidung ein gutes Bild ab. Er wird die Stelle bekommen, denn die Personalchefs lassen sich beeindrucken von der perfekten Performance und trauen dem attraktiven Menschen auch Kompetenz in allen weiteren Belangen zu. Bekannt ist dieses psychologische Phänomen als Halo- Effekt, wonach einzelne positive Merkmale einer Person den Gesamteindruck überstrahlen und damit beeinflussen.

Mit Paulus wird uns ein Gegenmodell vorgestellt. Gegen auftrumpfende Selbstdarstellung setzt er mit dem Eingeständnis seiner krankheitsbedingten Schwäche ein anderes Maß. Unumwunden erwähnt er sämtliche Missgeschicke und Leiden, die ihm widerfahren sind. Überall, wo Paulus auftaucht, gerät er in Gefahr. Tätliche Übergriffe, drakonische Strafen, die in einer versuchten Steinigung gipfeln, mehrere Schiffbrüche und die chronische Krankheit gehören zu seinem Erfahrungsschatz. Paulus macht keine gute Figur, sondern überzeugt gerade in seiner Schwachheit. Der eigene Schmerz, die Krankheit, dieser Pfahl im Fleisch, lässt ihn einfühlsamer umgehen mit dem Leiden der Menschen. Als Leidender will er überzeugen, nicht als Überflieger. Er hat eben nicht nur körperliche und seelische Schwäche erfahren, sondern auch erlebt, dass ihm die Gnade Christi genügt, um seine Aufgaben zu bewältigen. Das sollte uns nachdenklich stimmen in einer Zeit, in der Herkunft, Aussehen und Status über Wertschätzung entscheiden.

Unser persönliches Leid kann uns empfindsamer machen für die Schmerzen anderer, aber nicht nur das. Paulus verweist auf die Stärke Christi, die sich in der Schwachheit vollendet, und darauf, dass Jesu Gnade genügt. Mit dem Apostel glauben wir an den Einen, der sich schonungslos dem Vergehen der Welt preisgegeben hat. Der Weg Christi ist kein Erfolgsweg, sondern ein Weg in die Tiefe, der dem Einzelnen, der Gemeinde, ja der ganzen Welt zum Heil wird. Das hat Paulus geprägt, hat ihn stark gemacht in aller Schwachheit. Das macht auch uns stark in allem Versagen und inmitten von Anfeindungen. Wenn wir gebeugt werden, beugt sich einer zu uns herab, um uns aufzurichten, und wir erfahren, dass uns die Gnade Gottes Bestätigung genug ist, um weiterzugehen auf unserem Weg und Neues anzupacken. Wir brauchen nicht vom Halo-Effekt profitieren, um an unser Ziel zu kommen. Das Wohlwollen Jesu Christi für die Schwäche seiner Kirche und die Schwachen, die er in seine Nachfolge ruft, genügt, um unserem Leben Sinn und Erfüllung zu geben.

Gebet

Gott, deine Liebe gilt den Schwachen, Kranken und Leidenden. Mit ihnen baust du dein Reich. Schenke uns guten Mut, wenn uns Schweres zugemutet wird, und gib, dass uns aus Schwachheit Stärke erwächst. Amen.

Den geistlichen Impuls für jeden Tag finden Sie im AndachtsCast.

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