Es muss schon einen guten Grund geben, dass ich in der Öffentlichkeit die Schuhe ausziehe: Wenn ich ganz leise und vorsichtig auftreten will, wenn ich mir eine Blase gelaufen oder zu hohe Absätze unter der Ferse habe für einen empfindlichen Untergrund.
Aber das kommt selten vor. Anders als Mose, der vermutlich nur ein Standardmodell Sandalen besaß, habe ich Schuhe für jeden Anlass, jedes Wetter und jeden Weg. Und wenn es auf „heiligen Boden“ geht (zum Beispiel in eine Moschee), dann habe ich Socken dabei, die meine Sohlen schützen.
Doch Mose steht jetzt barfuß in der Wüste. Der Sand, auf dem er steht, brennt auch ohne die Flammen vor ihm heiß und unangenehm. Unter seinen Sohlen spürt er kleine, spitze Steinchen. Die Zehen suchen unauffällig nach einem Büschel Gras für einen besseren Stand. Nichts hat ihn auf diesen Moment vorbereitet. Und nichts scheint ihm schwieriger als der Auftrag, den er bekommt. Er soll zurück nach Ägypten, in das Land, das er hinter sich gelassen hat, zum Pharao, in dessen Palast er aufgewachsen ist, und zu seinem Volk, dessen Schicksal er lange nicht geteilt hatte. Für ihre Freiheit soll er eintreten im Namen des Gottes ihrer Vorfahren und sie in das Land führen, aus dem diese einmal gekommen waren.
Die Schuhe, die ihm da hingestellt werden, findet er für sich viel zu groß. Und er ahnt, dass auch die Menschen in Ägypten wenig mit alldem anfangen können. Nicht nur der Pharao „weiß nichts mehr von Josef“ (2. Mose 1,8), auch dessen Nachkommen haben längst vergessen, was ihre Vorfahren auf den Wanderungen durchs Land gehofft und geglaubt haben. Mose muss erst einmal fragen, mit wem er es zu tun hat. Und Gott wiederholt geduldig seinen Namen und alles, was damit verbunden ist, als wollte er sich selbst daran erinnern, wie er Abraham versprochen hatte, ihm so viele Nachkommen zu schenken wie Sterne am Himmel. „Ich will dich segnen, und du sollst ein Segen sein“ (1. Mose 12,2). Schon damals ist dieses Versprechen mit einem Aufbruch verbunden – und jetzt ist es wieder so weit.
Mit dem letzten Sonntag nach Epiphanias verlassen wir endgültig die festliche Zeit nach Weihnachten. Am 2. Februar begann früher das landwirtschaftliche Jahr. Knechte und Mägde schnürten sich wieder feste Schuhe an die Füße, um die Felder für die erste Aussaat vorzubereiten.
In den Kirchengemeinden geht es mit Riesenschritten auf die Konfirmation zu. Mitten in der Fasnet werben politische Parteien um unsere Stimmen; ein neuer Bundestag soll wieder für Milch und Honig im Land sorgen – und die neue Regierung Freiheit und Frieden schützen.
Nur kurz konnten wir auf heiligem Boden stehen und das Weihnachtswunder bestaunen: Gott, der als Mensch unter Menschen geboren wird – so unglaublich wie ein Busch, der in Flammen steht und doch nicht verbrennt! So wie Mose wieder in seine Sandalen schlüpft und zurückkehrt in die Welt, die er verlassen hatte, machen wir uns auf in eine ungewisse Zukunft. An den Füßen spüren wir noch den heißen Sand und die kleinen, spitzen Steine. Im Herzen haben wir das Wunder, das wir gesehen haben. Und wie ein Versprechen klingt in uns der Name dessen, der uns begleitet: „Ich bin der Erste und der Letzte und der Lebendige. Ich bin bei euch alle Tage bis an das Ende der Welt.“