Impuls

Zu viel Gerede

Impuls für den 1. Sonntag nach Trinitatis: Jeremia 23,16-29

Jeremia 23,16-29 (in Auszügen)

Ich höre es wohl, was die Propheten reden, die Lüge weissagen in meinem Namen und sprechen: Mir hat geträumt, mir hat geträumt. Wann wollen doch die Propheten aufhören, die Lüge weissagen und ihres Herzens Trug weissagen und wollen, dass mein Volk meinen Namen vergesse über ihren Träumen, die einer dem andern erzählt, so wie ihre Väter meinen Namen vergaßen über dem Baal? Ein Prophet, der Träume hat, der erzähle Träume; wer aber mein Wort hat, der predige mein Wort recht. Wie reimen sich Stroh und Weizen zusammen?, spricht der Herr.

Ulrich Heinzelmann
privat
Ulrich Heinzelmann ist Pfarrer an der Stadtkirche St. Martin in Biberach.

Es wird viel gepredigt in unserer Zeit. Die einen predigen Gesundheit und Fitness. Die anderen weissagen den Untergang. Wir sind ein Volk von Predigerinnen und Predigern geworden – auf allen Kanälen. Wer predigt, muss nicht zuhören. Bei manchen sprudelt es ungefragt hervor, Meinungen, Anschauungen, Kommentare. Auch wenn ich es gar nicht hören will. Mein Nachbar sagt: „Ich muss mal wieder bei dir vorbeikommen und dir erklären, was gerade politisch läuft.“ Danke, sage ich, noch eine Predigt. Der Wartungsdienst für meinen Kopierer klingelt. Nach einer Dreiviertelstunde läuft alles wieder perfekt, nebenher habe ich eine fast ununterbrochene Verschwörungspredigt gehört, die mich ratlos zurücklässt.

Ist es das, was Jeremia meint, wenn er zornig von den falschen Propheten schreibt: „Sie sprechen: Mir hat geträumt, mir hat geträumt?“ Sie reimen „Weizen und Stroh“ zusammen und vergessen das Wort, das ihnen seit jeher gesagt ist. Das eine Wort, der Name des Einen. Der Apostel Paulus wird es „das Wort vom Kreuz“ nennen, Torheit und Ärgernis für die Ohren der Welt, für uns aber das seligmachende Wort.

In unserer Alltagssprache gehen wir oft gedankenlos mit den Worten um. Durch das ununterbrochene Reden, „Talken“, Kommentieren und Meinen in den Medien haben wir das Zutrauen zu den Worten verloren. Das Wort ist zum Argument verkommen und das Sprechen zum Behaupten.

Rainer Maria Rilke schreibt in einem seiner frühen Gedichte: „Ich fürchte mich so vor der Menschen Wort. Sie sprechen alles so deutlich aus: Und dieses heißt Hund und jenes heißt Haus, und hier ist Beginn und das Ende ist dort. Mich bangt auch ihr Sinn, ihr Spiel mit dem Spott, Sie wissen alles, was wird und war; kein Berg ist ihnen mehr wunderbar.“

Ist uns das Wort vom Kreuz und die Botschaft von der Auferweckung von den Toten verloren gegangen, weil wir erfahren mussten, wie leichtfertig und verzweckt unsere Sprache geworden ist? Sind deswegen unsere Predigten so formelhaft geworden – weil uns das eine Wort entschwunden ist, das doch „meines Fußes Leuchte und Licht auf meinem Wege“ sein soll?

In das menschliche Wort ist eine Spur des göttlichen Wortes gelegt. Gott hat sich ins menschliche Wort verborgen und sich zugleich durch das fleischgewordene Wort, Jesus Christus, offenbart. Es wartet darauf, erlauscht, erschwiegen und hervorgesungen zu werden.

Gottes Wort ist, nach dem Zeugnis der hebräischen Bibel wie auch des Neuen Testaments, das schöpferische und befreiende Wort. Es braucht keine langen Predigten. Aber, sagt Martin Luther im Kommentar zum Galaterbrief: „Sooft das Wort Gottes gepredigt wird, macht es fröhliche, sichere und lautere Gewissen vor Gott; denn es ist ein Wort der Gnade und Vergebung, gut und süß. Sooft man aber Menschentand predigt, macht es ein traurig, ängstlich und zitterndes Gewissen.“

Gebet

Treuer Gott, alles gründet in deinem Wort. Lass es uns immer wieder neu und mit Ehrfurcht hören und denen weitersagen, die es brauchen. Das bitten wir dich im Namen deines Sohnes Jesus Christus, der unser Trost- und Hoffnungswort ist im Leben und im Sterben. Amen.

Den geistlichen Impuls für jeden Tag finden Sie im AndachtsCast.

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