Prälatur Heilbronn

Yury Kharchenko: Die eigene Identität

SCHWÄBISCH HALL – Das Hällisch-Fränkische Museum in Schwäbisch Hall zeigt derzeit Werke des ukrainisch-jüdischen Künstlers Yury Kharchenko. Die Schau spannt den Bogen von der eigenen ­Familiengeschichte bis zu den Konflikten in Gaza und der Ukraine. Von Matthias Pankau (epd)

Heilbronn
epd-bild/ Matthias Pankau
Yury Kharchenko

Yury Kharchenko ist Jude, seine Vorfahren stammen aus der Ukraine. Er ist in Moskau aufgewachsen, bis er elf war. Mitte der 90er-Jahre siedelte seine Familie nach Deutschland über. Heute lebt er in Berlin. Als was er sich am ehesten fühle? „Als Künstler“, sagt er nach kurzem Überlegen.

In seinen Werken setzt sich der 38-Jährige auch mit seiner eigenen Identität auseinander. Am Beginn seiner Ausstellung „Welcome to Jewish Museum“, die derzeit im Hällisch-Fränkischen Museum in Schwäbisch Hall zu sehen ist, stehen Porträts seiner Urgroßeltern und seiner beiden Großväter. Seine Urgroßmutter Rachel wurde von den Nationalsozialisten umgebracht, sein Urgroßvater Abraham kam im sowjetischen Gulag ums Leben.

Kharchenko sagt, die Verbrechen des Kommunismus seien in ihrem Ausmaß nicht weniger schlimm als die der Nationalsozialisten gewesen – wenngleich die industrielle Vernichtung der Juden durch die Nazis einzigartig bleibe. Die kommunistische Ideologie habe aber deutlich mehr Todesopfer gefordert als die nationalsozialistische.

Gemälde: Yury Kharchenko
Yury Kharchenkos Bild zeigt seinen Großvater Arkadij bei der Befreiung von Auschwitz.

Kharchenkos Großväter sind in blutgetränkten Superman-Kostümen vor den Toren von Auschwitz zu sehen. Als Teil der Roten Armee befreiten sie das Konzentrationslager 1945. Kharchenko möchte die Erinnerung an den Holocaust wachhalten, warnt aber zugleich vor einem „Erinnerungszirkus“, wie er ihn nennt.

Für die Juden habe es 1945 eben kein Happy End gegeben, sagt er. Seine Schau spannt den Bogen zur aktuellen Situation in Israel nach dem 7. Oktober 2023. An diesem Tag  überfielen Mitglieder der palästinensischen Terrororganisation Hamas friedlich feiernde Israelis. Die Terroristen ermordeten rund 1200 Menschen und verschleppten mehr als 200 Geiseln. Kharchenko symbolisiert das mit schmelzenden Uhren im Stil von Salvador Dalí. Sie stehen für die Monate, die die Israelis bereits verschleppt sind.

Er selbst sehe Israels Premier Benjamin Netanjahu durchaus kritisch, sagt Kharchenko. Aber in den aktuellen Debatten gehe es immer seltener um Kritik an Israel oder „gar um eine Lösung im Gaza-Streifen“. Vielmehr würden alte Vorurteile gegen Juden bedient, wie das, dass sie das gesamte Finanzwesen in ihren Händen hätten. Kharchenko:

Es ist wieder in Mode gekommen, Juden zu hassen. Vieles erinnert an die 30er-Jahre.

sagt Yury Kharchenko

Auch den nun schon zweieinhalb Jahre andauernden russischen Angriffskrieg in der Ukraine thematisiert Kharchenko in seinen Werken. Sie sind hoffnungsvoll und verzweifelt zugleich. Sie zeigen Blumen – einmal leuchtend schön, ein anderes Mal düster und aus menschlichen Knochen bestehend. Der Künstler sagt, mit seinen Werken habe er versucht, den Schock über den Krieg zu verarbeiten.

Wer einen Überblick über Yury Kharchenkos Werk gewinnen möchte, der kann auch seine Internetseite besuchen. Dort zeigt er mehrere Gemälde.

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