Paul Veil war eher unbekannt
„Ich wusste nichts von Paul Veil“, sagt Thierfelder. Und dies, obwohl die Rolle der Kirche im Nationalsozialismus zu seinen wissenschaftlichen Schwerpunkten zählt. Das Schicksal von Veils Kollegen Julius von Jan, der sich in Oberlenningen in seiner berühmt gewordenen Bußtagspredigt 1938 ebenfalls gegen die Nazis wandte, ist dagegen gut dokumentiert.
Jörg Thierfelder beginnt zu Paul Veil nachzuforschen
Thierfelder wollte herausfinden, warum der mutige Gottesmann so lange vergessen war. Der promovierte Theologe und emeritierte Professor, der in Denkendorf lebt, hat jetzt ein Buch über Paul Veil veröffentlicht. Thierfelder will mit der Darstellung des standhaften Pfarrers „Mut machen, sich heute gegen Rassismus und Antisemitismus einzusetzen“.
Paul Veil bewies großen Mut
Paul Gotthilf Veil war kein herausgehobener Kirchenmann. „Er war ein einfacher Dorfpfarrer, der jedoch großen Mut bewies“, sagt Thierfelder. Veil wurde 1899 als Sohn eines Missionarsehepaars der Basler Mission in Ostindien geboren. 1928 wurde er Pfarrer in Roßwälden und Weiler, die zum Evangelischen Kirchenbezirk Kirchheim gehörten. Immer wieder versah Veil auch Vertretungsdienste in Hochdorf. 1932 sei Veil noch ein Anhänger der NSDAP gewesen, berichtet Thierfelder. Doch er wandelte sich zu einem entschiedenen Gegner des Nationalsozialismus und der Deutschen Christen (DC).
Veil wurde Mitglied der Bekennenden Kirche und der Kirchlich-theologischen Sozietät in Württemberg und scheute sich nicht, auch von der Kanzel seine wachsende Kritik an den Nazis deutlich zu machen. Das brachte ihm mehrere Anzeigen wegen „hetzerischer Äußerungen gegen Partei und Staat“ und Verhöre durch die Gestapo ein. Auch im Konfirmanden- und Religionsunterricht soll er sich kritisch geäußert haben.
Anweisungen von der Kirchenleitung missachtet
Veil hält Fürbitten für in Bedrängnis geratene Pfarrer und verliest verbotenerweise Hirtenbriefe des damals unter Hausarrest stehenden Landesbischofs Theophil Wurm. Seine Gegner werfen ihm vor, er bringe zu viel Politik auf die Kanzel, statt das Wort Gottes zu verkündigen. Immer wieder versucht die Kirchenleitung, Veil aus der Schusslinie zu nehmen, legt ihm einen Stellenwechsel nahe. Sie ist der Ansicht, dass es nicht Aufgabe eines Gemeindepfarrers sei, staatliche Stellen zu kritisieren. Sie sollten sich in ihren Predigten jeglicher politischer Stellungnahme enthalten.
Doch Veil ließ sich nicht abhalten, in seinen Predigten Unrecht, wo immer es geschah, zu benennen.
sagt Jörg Thierfelder
Veil gründete sein Engagement auf die Barmer Theologische Erklärung
Grundlage war für ihn die Barmer Theologische Erklärung, wo es heißt, dass die Kirche „an Gottes Reich, an Gottes Gebot und Gerechtigkeit und damit an die Verantwortung der Regierenden und Regierten“ erinnere. Ende 1938 wird die Situation richtig gefährlich für den mutigen Pfarrer. Die Pogrome im November 1938 bewogen ihn dazu, in seinen Predigten am Buß- und Bettag in Roßwälden und Hochdorf unverblümt Kritik an den judenfeindlichen Ausschreitungen zu äußern. Gotteshäuser in Brand zu setzen, das ging für Veil eindeutig zu weit. „Nur wenige Pfarrer haben damals das schreckliche Unrecht öffentlich angeprangert“, sagt Thierfelder. Von den Kirchenleitungen sei wenig zur Pogromnacht gekommen. „Einige Pfarrer waren mutiger.“
Nazis erhoben Anklage gegen Veil
Veil wurde wegen seiner Predigten angeklagt, aber anders als Julius von Jan nicht verhaftet. Auf dessen Inhaftierung nahm Veil in der Predigt am Ersten Advent Bezug und prangerte die Christenverfolgung der Nazis an. Kurz danach hing das Schild am Gartenzaun. Paul Veil wird wegen Volksverhetzung und Verstoßes gegen das Heimtückegesetz angeklagt.
Das Verfahren wird schließlich auf Grund einer zu Kriegsbeginn erlassenen Amnestie eingestellt. Die Gestapo setzt Veil jedoch weiter unter Druck. Das Kesseltreiben der Gestapo und deren Hintermänner stellten für den Pfarrer eine enorme psychische Belastung dar. Dennoch weigert er sich, klein beizugeben. „Hätte er sich versetzen lassen, hätte das vieles erleichtert“, sagt Thierfelder. Aber das ging gegen sein Selbstverständnis. Veil mag ein „einfacher Dorfpfarrer“ gewesen sein, doch ihm werden gut durchdachte Predigten bescheinigt. Sogar einer seiner Gegner, der NS-Funktionär Wilhelm Mayer, schreibt, Veil sei ein „Meister der Rede“.
Veil starb beim Wehrdienst
Dass Veils mutiges Einstehen gegen die Nazis so lange unbekannt blieb, ist nach Einschätzung Thierfelders auch dessen frühem Tod geschuldet. Veil wird im September 1943 zum Wehrdienst eingezogen. Anfang 1945 geht es an die Ostfront, wo Veil schwer verwundet wird. Er stirbt am 9. April 1945 an einer Sepsis im Lazarett auf Usedom.