Auch in der Viehwirtschaft regiert das Gesetz des Marktes: Was nicht ausreichend Ertrag bringt, wird irgendwann nicht mehr gezüchtet. So ging es in den vergangenen Jahrzehnten etwa dem Limpurger Rind, dem Ostfriesischen Milchschaf und dem Wollschwein. Sie stehen inzwischen auf der Roten Liste der gefährdeten Nutztierrassen in Deutschland. In einem Sozialprojekt in Göppingen helfen Langzeitarbeitslose, die Rassen vor dem Aussterben zu bewahren.
Wirtschaftliche und christliche Motivation bei der Rettung der Tierarten
Für die Initiatoren bei der gemeinnützigen Gesellschaft „Staufen Arbeits- und Beschäftigungsförderung“ (SAB) gehen bei diesem Projekt wirtschaftliche und christliche Motive zusammen. Zum einen tragen die Gesellschafter – die Diakonie im Kirchenbezirk Göppingen sowie das katholische Dekanat Göppingen-Geislingen – damit zur Bewahrung der Schöpfung bei. Zum anderen treten sie mit ihrem speziellen Tierprojekt nicht in Konkurrenz zu anderen Landwirten der Region. Das dürften sie auch nicht, weil die Arbeit bezuschusst wird und deshalb zu Wettbewerbsverzerrungen führen würde.
Für Kai Münzing, seit November Geschäftsführer der SAB, passt dieses Projekt perfekt ins Portfolio des Sozialunternehmens. Seine Gesellschaft betreut im Jahr über 1000 Menschen, hat 35 Angestellte sowie 45 Beschäftigte, die aus der Langzeitarbeitslosigkeit kommen. Arbeitsbereiche sind unter anderem zwei Fahrradwerkstätten, ein Wäschepflege- und Bügelservice und das „Suppentöpfle“, aus dem täglich bis zu 250 Gäste „Fastfood mit Slowfood“ genießen, erläutert Münzing. Ziel sei es, die Klienten an den regulären Arbeitsmarkt heranzuführen.
Im offenen Stall steht der Bulle Wando. Das junge Männchen soll baldmöglichst die rund 20 Limpurger Kühe bespringen, die auf dem Waldeckhof im Göppinger Teilort Jebenhausen leben. Mit seinem Nasenring klappert er gegen das Metallgatter. Gegenüber liegt der Stall mit den Wollschweinen, von denen ebenfalls etwa 20 in der Anlage leben. Größer ist der Bestand bei den Ostfriesischen Milchschafen, deren Zahl nach der Geburt der Lämmer auf bis zu 300 ansteigt.
Weiterverarbeitung der Tiere und Produkte
Dass es sich hier nicht um einen exzentrischen Streichelzoo, sondern um einen Agrarbetrieb handelt, zeigt sich im kleinen Laden des Waldeckhofs. Würste, Braten und Käse lagern im Gefrierschrank und in der Kühltheke. Verschiedene Sorten von Schafskäse sowie Speiseeis aus Schafsmilch stellen die Klienten unter fachkundiger Aufsicht selbst her. Mit der Zucht der seltenen Nutztiere bedient die SAB auch kulinarisch eine Nische, denn diese Milch- und Fleischprodukte finden sich sonst fast nirgends.
Schlachtung bei Tübingen
Besondere Tiere brauchen allerdings auch besondere Schlachtereien. So müssen die Wollschweine in einen 70 Kilometer entfernten Betrieb nach Mössingen bei Tübingen gefahren werden. Denn im Gegensatz zum Hausschwein, dessen Borsten sich abbrühen und wegbürsten lassen, muss das Wollschwein von seinem Fell getrennt werden. Für das Tierwohl sind solche langen Wege ungünstig, räumt Geschäftsführer Münzing ein, doch für einen fachgerechten Schlachtvorgang habe er noch keine bessere Lösung gefunden.
Chance für die Langzeitarbeitslosen
Für die Frauen und Männer im Projekt bietet die Tierzucht die Chance, wieder in einen geregelten Arbeitsrhythmus zu kommen. „Wir brauchen diese Kräfte“, sagt Kai Münzing, der ehrenamtlich auch der Synode der Landeskirche in Württemberg angehört. Langzeitarbeitslose wieder für den Arbeitsmarkt fit zu machen und weiterzuqualifizieren, sei ein wichtiger Baustein gegen den Mitarbeitermangel in vielen Branchen. Das Engagement für die Nutztiere könne einen Beitrag dazu leisten.