Er hat gerade in einem kurzen Moment der Ruhe ein neues Vogelhäuschen im oberhalb der Donau gelegenen Garten des Ulmer Dekanats aufgebaut. Ein Gefühl des Angekommenseins ist mit der Handlung verbunden: Wer auch an die hungrigen Vögel denken kann, hat den Stress der ersten Zeit überwunden. Torsten Krannich kam nach Ulm in einer Zeit der Umbrüche. Der 1971 in Nordthüringen geborene promovierte Theologe hat schon einige Umbrüche erlebt – der wichtigste, der Mauerfall, verhalf ihm dazu, Abitur nachmachen und studieren zu dürfen, denn in der DDR hatte er aus politischen Gründen – aufgrund seines Engagements in der kirchlichen Jugendarbeit – dazu keine Chance gehabt. Vor seiner Ernennung zum Dekan des Ulmer Kirchenbezirks war Krannich geschäftsführender Pfarrer in Essingen und Lauterburg im Remstal.
Wie fühlt sich der Wechsel an? Wie fühlen sich diese ersten drei Monate an? „Sportlich!“, sagt Krannich und lacht. „Das Amt ist kein Sprint. Eher ein Marathonlauf mit Sprinteinlagen.“ Was sagen will: Man braucht einen langen Atem – und muss manchmal trotzdem schnelle und wichtige Entscheidungen treffen können. Herausfordernd sei es durchaus, sagt Krannich. „Es ist eine große Aufgabe.“ Und es sei ihm noch keine einzige Minute langweilig gewesen in diesen gut drei Monaten.
Höhepunkte hat er schon erlebt, und einen absoluten Tiefpunkt. Der war, als im Oktober, bald nach dem Terrorangriff der Hamas auf israelisches Staatsgebiet, Hakenkreuzschmierereien im Auf- und Abgang des Hauptturms des Münsters entdeckt wurden. Der Hass auf jüdisches Leben und auf den Staat Israel schockiere ihn, gibt Krannich zu. Dass man als Kirche dazu deutlich Stellung beziehen müsse, steht für Torsten Krannich außer Frage. So wie bei der Mahnwache im Oktober auf dem Münsterplatz: Dass sich der Arbeitskreis christlicher Kirchen Ulm/Neu-Ulm und der Ring der politischen Jugend Ulm dafür zusammentaten, empfindet Krannich als echten Erfolg.