Prälatur Ulm

Heiraten im Ulmer Münster

ULM – Das Münster ist seit Jahrhunderten eine begehrte Hochzeitskirche. Was sie dazu macht, dürfte vor allem emotionale Gründe haben. Von Dagmar Hub

Ulm
Baustelle im Ulmer Münster
Dagmar Hub
Heiraten auf der Dauerbaustelle – das Brautpaar muss durch den Bretterhimmel durch.

Vom Brautportal an der Südseite zieht das Brautpaar heute zum Chorraum ein. Wer aktuell im Münster heiratet, weiß aber vorher: Aufgrund der Sanierungsarbeiten wirkt dieser Einzug nicht unbedingt festlich. Dafür schreitet das Brautpaar unter einem Bretterhimmel hindurch und biegt dann nach rechts wiederum unter Brettern in den Chorraum ab, der von den Arbeiten unberührt ist.

Es sei erstaunlich, sagt Pfarrerin Stephanie Ginsbach, die Trauungen als eine der liebsten Tätigkeiten ihres Berufs nennt: Kaum ein Paar wollte bislang seine terminierte Hochzeit im Münster wegen dieser „Baustelle live“, wie Ginsbach die Situation nennt, an einen anderen Ort verlegen. Ein Paar hat ihr sogar schon gesagt:

Ach wissen Sie, das ist doch eine tolle Sache für unsere Ehe. In 50 Jahren werden wir sagen: ‚Weißt du noch, als wir unter diesen Brettern durchgegangen sind?‘

 

Manchmal, erzählt die Pfarrerin, gibt es Kirchenbesucher, die sie im Anschluss an eine Trauung ansprechen und um Segen für ihre eigene Beziehung bitten oder die erzählen wollen von ihrer kirchlichen Hochzeit, die vor zwei oder drei Jahrzehnten im Münster stattfand. Oft, beobachtet Stephanie Ginsbach, folgt der Hochzeit zwei oder drei Jahre später eine Taufe, die sich die Eltern dann ebenfalls im Münster wünschen.

Touristenattraktion und geistlicher Ort

Kirchliche Hochzeiten im Münster finden meist samstags statt, und da ist die Kirche auch voller Touristen, ist sie doch Denkmal und Wahrzeichen zugleich. Deshalb wird während Hochzeiten das schmiedeeiserne Tor zum Chorraum, wo die Trauungen stattfinden, geschlossen. So gelingt der Balanceakt zwischen den Kirchenbesuchern, die das Münster als Denkmal und Wahrzeichen sehen und fotografieren wollen, und dem gelebten Gemeindeleben, zu der auch eine Hochzeit gehört.

Ulmer Münster
Unsplash/David Hertle
Das Ulmer Münster

Für mich war eigentlich klar, wenn ich einmal heirate, möchte ich auf jeden Fall kirchlich heiraten.

sagt Viktoria Fahrenkamp

Sie heiratet ihren Mann David im Juni im Ulmer Münster. Sie fühlt sich der Kirche seit langer Zeit verbunden, sang in den Chören der Münsterkantorei und ist im CVJM Ulm engagiert. „Und jetzt arbeite ich sogar noch bei der Kirche.“ Darüber hinaus spielt für sie auch der Wunsch nach Gottes Segen und einer feierlicheren Atmosphäre als im Standesamt eine Rolle. „In unserem Fall wird unser Sohn Benedikt im Traugottesdienst auch getauft, so haben wir eine schöne Gelegenheit, unsere Verbindung als Paar und als Familie zu feiern.“

Die Wahl des Münsters habe ihr Mann getroffen. „Auch wenn ich kein Problem damit gehabt hätte, in der Kirche zu heiraten, zu der wir gehören, ist das Münster natürlich eine tolle Kulisse und für die Gäste sicher auch etwas Besonderes.“

Ein Brautpaar in den 1960er Jahren
Foto: privat
Ilse und Dieter Straub heirate­ten 1967 im Ulmer Münster.

Hochzeit im Münster vor über 50 Jahren

Ilse und Dieter Straub heirateten am 8. Juli 1967 im Ulmer Münster. Diese Hochzeit war so außergewöhnlich, dass sogar ein Reporter der Münchner Abendzeitung dafür eigens nach Ulm reiste, denn eine Doppelhochzeit, bei der Zwillingsbrüder wiederum Schwestern heiraten, passiert nicht alle Tage – zumal, wenn die Bräute aus der alteingesessenen Ulmer Gaststätte „Zur Forelle“ der Familie Hailbronner stammen und im Ulmer Fischerviertel aufgewachsen waren.

Für beide Paare, die an diesem Julitag den Bund der Ehe schlossen, war von vornherein klar gewesen: Eine andere Kirche als das Ulmer Münster kam für ihre Hochzeit nicht in Frage, auch wenn die beiden jungen Männer im Ortsteil Böfingen konfirmiert worden waren. Weil sie den dortigen Pfarrer Willi Baasner mochten, traute der dann eben die beiden Paare im Münster. Denn im Münster fühle man sich einfach zuhause, da spüre man den Draht nach oben, erklärt Ilse Straub, deren Mann am 3. März starb.

An den Moment des Schreitens durch den langen Mittelgang zum Chorraum, in dem die Trauung stattfand, erinnert sich die Witwe noch ganz genau: In den Bänken seitlich standen viele Menschen, Familie und neugierige Zuschauer. Und sie, deren Vorfahr im 14. Jahrhundert im Rat der Stadt saß, als der Münsterbau beschlossen wurde, habe gedacht:

Er war dabei, als man den Bau dieser Kirche entschieden hat, und ich steh jetzt da an dieser Stelle.

sagt Ilse Straub

Dem Münster blieben die Zwillingsbrüder Heinz und Dieter Straub treu, die beim Bombardement der Stadt Ulm am 17. Dezember 1944 die gerade beendete Kinder-Weihnachtsfeier der evangelischen Kirche in der Dreifaltigkeitskirche besucht hatten, auf dem Heimweg waren und das Bombardement überlebten. Noch als sie im Ruhestand waren, führten sie Besucher im Münster.

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