In Stuttgart bewies sich Shkoliarenko seit seiner Ankunft beherzt zupackend: Eine Tätigkeit als Barista in einem Café verschaffte ihm die Möglichkeit, Kleidung und Essen selbst zu finanzieren, wie er berichtet. Mit Einzug der Corona Pandamie musste das Café schließen, doch eine private Musikschule stellte ihn als Klavierlehrer ein. Über neue Kontakte fand er sogar einen Flügel zum Proben, doch als mit dem September 2020 der komplette Lockdown kam verblieb nur noch etwas Online-Unterricht. Shkoliarenko übernahm erneut eine Tätigkeit als Barista-Angestellter in Stuttgart, womit er sich auch in der Ukraine Geld für sein Studium verdient hatte. Auf diesem Weg habe er es aber geschafft, sich eine eigene Wohnung samt Lebensunterhalt zu finanzieren. Mit höchster Disziplin arbeitete er sich in die deutsche Gesellschaft hinein, spricht bis heute über sein Glück mit Kollegen, nur auf seine Bewerbungen als Musiklehrer erhielt er lange keine Einladung. Also entschied er sich für Benefizkonzerte und sagt:
Ich warte nicht auf ein Wunder. Was soll man erwarten? Woher soll etwas kommen? Das Glück kommt zu dem, der etwas tut.
Auf die Frage, woher die Kraft für Benefizkonzerte kam, während er selbst hart für sein neues Leben in Deutschland arbeitete, sagt er: „Ich hatte immer was ich gebraucht habe: Eltern, ein Haus, Bildung und Gesundheit. Aber es gibt viele Menschen, denen es nicht so geht und die Hilfe benötigen.“ Als Vergleich bezieht er sich auf das deutsche und das ukrainische Krankenhaus System: „Viele Familien leiden unter großer Geldnot, wenn ein Familienmitglied an Krebs erkrankt. Medikamente, Behandlung und Operationen müssen dann nämlich selbst bezahlt werden.“
Shkiloarenko ist ein Mensch, der sich bewegt und selbst gestalten will, trotz aller Schwierigkeiten. „Wenn es gerade beruflich nicht die Musik ist, ist es eben Barista“, sagt er, was bei ihm authentisch klingt. „Alles Tun unterstützt unsere Fähigkeiten. Man muss sich anpassen können.“ Keineswegs sei es für ihn schlimm als Barista anstatt als Musiker tätig zu sein:
Das wäre eine ganz falsche Einstellung, denn alles was wir tun prägt unseren Charakter und formt unser Menschsein.
Und so verwundert es kaum, dass dieser sich selbst zurücknehmende Musiker auch ein Sympathieträger auf der Bühne ist: Wer ihn hört, will mehr davon. Seit 2021 begeistert er immer wieder sein Publikum als Konzertpianist, häufig im Benefizbereich, nebenher ist er ein begleitender Unterstützer im Kinderhospiz Stuttgart. Auch hier spielt er ehrenamtlich Klavier und ist froh, dass er „mit dieser Kunst etwas für die Kinder tun kann, weil es sie entspannt.“ Viele Einnahmen aus seinen Konzerten flossen bereits an krebskranke Kinder in seinem Heimatland. Auf das Stuttgarter Kinderhospiz wurde er durch eine Broschüre bei Orgelproben aufmerksam. Dort stellte er sich vor und absolvierte einen Kurs zur Unterstützung von Familienangehörigen. Seit drei Jahren spielt er dort einmal im Monat Klavier und ist tief berührt von der musikalischen Wirkung auf Kranke und deren Familien. Über das Pflegepersonal sagt er: „Diese Menschen sind etwas ganz Besonderes mit starkem und wachen Geist. Das ist Mission.“ Sein Beitrag sei nur sehr klein, aber erfüllend. Auch in Gammelshausen oder Merklingen spendeten Menschen bei seinen Konzerten für andere, die Unterstützung benötigen. Laut Shkoliarenko „findet man Gott in sich, wenn man etwas für andere tut“.
Im August 2023 zog Shkoliarenko zu seinem Lebensgefährten in die Gemeinde Deggingen. Seine Eltern kamen im Frühjahr aus Charkiw auf die Albhochfläche:
Ich habe mit meiner Mutter telefoniert, als sie im dunklen Flur saß nachdem eine Bombe ins Haus geflogen ist. Sie hatten keinen Strom und kein Wasser mehr, packten mit Kerzenlicht die Koffer und flohen.
Jetzt fühle es sich an wie ein Glück im Unglück: „Sie sind in Sicherheit“, sagt er.